„Beeindruckend!“ sage ich zu einem Graffiti-Künstler, der unter der Frankfurter Friedensbrücke gerade am Portrait eines jungen Mannes arbeitet. Das war im letzten Sommer. Als ich eine Woche später wieder vorbei komme, sehe ich das vollendete Bild: es ist eine Hommage an die neun Anschlagsopfer von Hanau.
Ich muss gestehen, dass mich die Medienberichte über den Anschlag nicht übermäßig berührt hatten. Eben eine schlechte Nachricht in der Flut von vielen schlechten Nachrichten, von denen man täglich hört und liest. Doch mit dem Blick in die neun Gesichter war alles auf einmal ganz anders. In jedem Gesichtsausdruck konnte ich eine Persönlichkeit erkennen. Mit einer Vergangenheit und mit Plänen für die Zukunft. Auf einmal konnte ich Trauer um diese 9 jungen Menschen spüren.
Nähe oder Distanz?
Und dieser Effekt von Nähe statt Distanz kommt mir auch aus dem Arbeitsalltag bekannt vor – in meinem Fall der Alltag in der Personalabteilung:
- Die Verhandlung über den Aufhebungsvertrag führt nicht der betroffene Mitarbeiter selbst, sondern sein Rechtsanwalt. Trotz mehrerer Telefonate bewegt sich nichts Wesentliches. Erst als der Mitarbeiter (und bisherige Kollege) selbst anruft und seine schwierige persönliche Situation schildert, entsteht bei mir Mitgefühl, und ich setze mich bei der Geschäftsführung -erfolgreich- für nachgebesserte Konditionen ein.
- Eine Mitarbeiterin bittet schriftlich um eine Bescheinigung. Der Personalreferent hat aber gerade andere Prioritäten. Doch als die Mitarbeiterin anruft und den Grund schildert, warum sie die Bescheinigung unbedingt schon morgen braucht, ist er sogar zu Überstunden bereit, um ihr das Dokument auszustellen.
- Das HR Shared Service Center bearbeitet die Arbeitsvertragsänderung für die Personalnummer 0815. Die Bearbeiterin kennt zwar den Namen des Mitarbeiters, hat ihn aber noch nie zu Gesicht bekommen. Die internen Prozesse sehen ausschließlich Kontakte mit den Personalreferenten vor, nicht mit den Mitarbeitern selbst. Ist es da verwunderlich, dass die Qualität dieses Shared Service Centers manchmal zu wünschen übrig lässt?
Nähe schafft Engagement
Erst der Mensch hinter den Fakten erzeugt in uns ein Gefühl. Im Arbeitsleben vor allem das Gefühl von Verantwortung. Und das motiviert zu deutlich mehr Engagement.
Wenn Sie sich also für Ihre Firmenkultur mehr Mitarbeiter-Engagement wünschen, dann stellen Sie sich die Frage: hat mein Team überhaupt einen emotionalen Auslöser, sich verantwortlich zu fühlen? Und hat es auch die notwendigen Mittel und Freiräume, um die Extra-Meile gehen zu können?
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Inken Schneider – TALENT PUZZLE
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TITELFOTO: eigene Aufnahme